Sonntag, 5. Dezember 2010

Leise rieselt der Schnee ... im Arkadenhof

Passend zum Beginn der Advent­zeit ist in Öster­reich der Winter ein­ge­brochen. Auch in Wien hat Frau Holle ihr weißes Gewand aus­ge­brei­tet, was Spazier­gänge der­zeit zu einem spezi­ellen Erlebnis, aber auch zu einer gewissen Heraus­for­de­rung macht. Der arktischen Kälte und den großen Schnee­men­gen zum Trotz begab ich mich am Frei­tag an einen ganz beson­de­ren Ort, an dem – obwohl mitten in der Stadt gele­gen – der Schnee tat­säch­lich leise rie­selt: der Arkaden­hof des Haupt­ge­bäu­des der Univer­si­tät Wien.

U2-Station am Schottenring

Vom Ausgangs­punkt meines abend­li­chen Spa­zier­gan­ges, der U2-Station "Schotte­ntor – Universität", sind es nur weni­ge Schrit­te zum pracht­vol­len Haupt­ge­bäu­de der Universität Wien. Das nach Plänen des Archi­tek­ten Hein­rich von Ferstel erbaute Ringstraßen­ge­bäu­de wurde 1884 von Kaiser Franz Joseph I. eröffnet.

Das verschneite Hauptgebäude der Universität Wien



Blick Richtung Universitätsring

So schön, so kalt. Umso lieber betrat ich die weih­nacht­lich geschmückte Aula der Uni­ver­si­tät. Auf der lin­ken Seite des 2006 neu ge­stal­te­ten Ein­gangs­be­reiches be­fin­den sich ein Ver­zeich­nis aller Rek­to­ren und eine Installa­ti­on mit den Por­trait­bild­nissen der neun Nobel­preis­trä­ger, die an der Uni­ver­si­tät Wien gewirkt haben. Zu den Laure­aten zäh­len etwa Karl Land­steiner, der Entdecker der Blutgruppen, oder Kon­rad Lorenz, der Be­grün­der der ver­glei­chen­den Ver­hal­tens­forschung.

Weihnachtsstimmung in der Aula

linke Wandnische: Rektoren-Verzeichnis, rechts: Nobelpreisträger

Nachdem meine Finger wieder auf­ge­taut waren, ging es aber­mals hin­aus ins Freie, in den an die Aula an­grenzen­den Arka­den­hof. Dieser wurde von Ferstel nach dem Vor­bild des Palaz­zo Far­nese in Rom als "Campo Santo" an­ge­legt und ist das räumliche und archi­tek­to­ni­sche Zen­trum des Ge­bäu­des. Der Innen­hof ist ein Ort der Erho­lung und der Be­geg­nung, aber auch ein Ort des Gedenkens an berühm­te Gelehr­te der Uni­ver­si­tät.

Gang im Arkadenhof mit Gedenktafeln

Innenhof mit Kastalia-Brunnen (rechts im Bild)

In der Mitte des Arka­den­hofes befin­det sich der von Edmund von Hellmer gestalte­te und 1910 auf­ge­stellte Kastalia-Brunnen. In der griechi­schen Mytho­lo­gie hüte­te die Nymphe Kasta­lia die gleich­nami­ge Quel­le in Delphi, die den Musen ge­weiht war. Das Was­ser der Kasta­li­schen Quel­le inspi­rier­te zu Dich­tung und Weis­heit. Hellmer stellte die Figur der Kasta­lia in stoi­scher Hal­tung auf einem Thron sitzend dar.

Der schneebedeckte Kastalia-Brunnen

In den Gängen des Hofes erinnern über 150 Ehren­büsten und Gedenk­tafeln an Größen der Wissen­schaft und des Geisteslebens, darunter Sig­mund Freud, Ludwig Boltzmann und Erwin Schrödin­ger. Unter den Ge­ehr­ten fin­det sich nur eine einzi­ge Frau: die Dichte­rin Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916). Ihr wurde im Jahr 1900 die Ehren­doktor­wür­de der Uni­ver­si­tät Wien ver­liehen. Eine Uni­ver­si­täts­lauf­bahn war Ebner-Eschen­bach verwehrt geblie­ben, da Frauen erst ab 1897 zum Studi­um zuge­las­sen wur­den.

Um auf die Versäum­nis­se in der uni­ver­si­tä­ren Ehrungs­politik aufmerk­sam zu machen, wurde 2005 im Rah­men eines Kunst­pro­jek­tes vor­über­gehend eine symbolische Büste aufgestellt – stellvertretend für alle Frauen, die ebenfalls eine Würdi­gung ihrer Leis­tung ver­dient hätten. Im Jahr 2009 wurde schließlich von der Künst­le­rin Iris Andra­schek eine dauer­haf­te Instal­la­ti­on ge­schaf­fen: eine überdi­men­si­o­nal große Schatten­silhouette einer weiblichen Figur in kämp­fe­ri­scher Pose, eingelassen in den Stein­bo­den des Arka­den­hofes. Mehr zu diesem außergewöhnlichen Pro­jekt siehe: http://www.dermusereichts.at.








Mit diesen wunder­schönen Bil­dern des ver­schnei­ten Arka­den­hofes möch­te ich mich für heute ver­ab­schie­den. Übri­gens – auch, wenn es auf den Bil­dern kaum zu sehen ist – wäh­rend mei­nes gesamten Spa­zier­gan­ges hat es dicht ge­schneit … ganz leise.